Robert Reiss:Firmengründer, Visionär und Vater
Hermann Robert Reiss wurde am 20. Dezember 1844 im ostpreußischem Groß Bubainen geboren und wuchs als Sohn eines Flussschiffers auf. Er erlernte den Beruf des Landvermessers in Ostpreußen. Zwischen 1868 und 1881 zog er, inzwischen verheiratet, mit seiner Familie zu den jeweiligen Einsatzorten, in denen er als Landvermesser tätig war.

1881 wurde er beim Königlich Preußischen Kataster-Amt in Liebenwerda angestellt. Sein Vertrag verpflichtete ihn dazu, einen Teil seiner Büromaterialien wie Federn, Siegellack oder Packmaterial selbst zu bezahlen. Reiss war somit gezwungen, sich preisgünstiges Büromaterial zu besorgen. Als im Jahr 1882 innerhalb weniger Tage drei seiner Kinder an einer Scharlach-Epidemie verstarben, fehlte der Familie jedoch das Geld für die Bestattung. Eine in der Stadt durchgeführte Sammlung half der Familie dann, die größte Not zu lindern. Reiss versuchte nun, neue Einkommensquellen für sich und seine Familie zu erschließen.

Vermutlich als Nebenerwerb begann Robert Reiss im Jahr 1882 mit dem Versandhandel von Waren für Landvermesser, aber auch von Haushalts- und Kolonialwaren. Seine Erfahrungen als Landvermesser halfen ihm, besser als die etablierten Unternehmen auf die Kundenwünsche einzugehen. 1885 machte er seinen Versandhandel zum Hauptgeschäft und kündigte sein Angestelltenvertrag.

1889 begann er mit einer eigenen Produktion von Fluchtstäben. Reiss baute seine Produktion in den Folgejahren immer weiter aus. Zum einen, um unabhängig von Lieferanten zu werden, zum anderen, um bessere Qualität liefern zu können. Neben Mess- und Nivellierlatten fertigte er auch Büromöbel. Gezielt warb Reiss hochqualifiziertes Personal an, um seine Produktion zu erweitern, bildete aber auch in der eigenen Firma aus.

Politisch war Robert Reiss als Stadtverordneter in Liebenwerda aktiv. Dabei setzte er sich besonders für den Ausbau der Infrastruktur ein, versuchte aber auch die soziale und wirtschaftliche Situation seiner Angestellten zu verbessern. So kam es 1900 u.a. zur Gründung einer Betriebskrankenkasse. Für die Bürger der Stadt Liebenwerda, insbesondere für die evangelische Kirchgemeinde spendete Robert Reiss ein beträchtlichen Teil seines Vermögens zu gemeinnützigen Zwecken. Robert Reiss hatte bis zum Jahr 1911 seine Firma zu einem der weltweit größten Hersteller für feinmechanische Technik ausgebaut. Zahlreiche Auszeichnungen und Medaillen auf internationalen Messen beschrieben den Ruf der Firma Reiss. Im Herbst 1911 erkrankte Robert Reiss unerwartet an einer Lungenentzündung, an der er am 11. November 1911 in Liebenwerda verstarb. Hunderte von Liebenwerdaern, Geschäftspartnern und Angestellten nahmen am Trauerzug teil.
Biografie
1844
Hermann Robert Reiss wird am 20. Dezember in Groß Bubainen als Sohn eines Flussschiffers geboren. Er erlernt in Ostpreußen den Beruf eines Landmessers.
1864
In Landsberg an der Warte lernt er Mathilde Pauline Charlotte Märten, seine spätere Ehefrau, kennen. Das Ehepaar hat sechs Kinder, von denen nur die beiden Söhne Paul und Adolph das Erwachsenenalter erreichen.
1868
Die Familie Reiss lebt in Swinemünde. Das erste Kind, Sohn Paul, wird hier am 16. Dezember geboren. Die Familie zieht bis 1883 den Anstellungen des Vaters hinterher.
1881
Reiss erhält eine Anstellung als Katasteramtsgehilfe in Liebenwerda.
1882
Gründung eines Versandhandels von Waren für Landvermesser sowie Haushalts- und Kolonialwaren im Nebenerwerb. Geburtsstunde der Firma Reiss mit vier Mitarbeitern.
1882
Drei seiner Kinder sterben im Laufe weniger Tage an einer Scharlachepidemie. Die Stadt Liebenwerda nimmt großen Anteil und unterstützt die Familie.
1885
Reiss macht seinen Versandhandel zum Hauptgeschäft und kündigt seinen Angestelltenvertrag.
1889
Beginn der eigenen Produktion von Fluchtstäben mit zwei Tischlergesellen. 1890 waren bereits Büromöbel im Programm und 30 bis 35 Mitarbeiter beschäftigt. Gründung eines Verlages und Herausgabe der „Allgemeinen Vermessungsnachrichten“.
1896
In den 1890er Jahren nimmt das Unternehmen Fabrikcharakter an. Die Feinmechanischen Werkstätten werden errichtet und Reiss produziert jetzt geodätische Instrumente in Eigenregie.
1896
Reiss wandelt sein „Technisches Versandgeschäft R. Reiss, Liebenwerda“ in eine oHG um. Sohn Paul wir offizieller Teilhaber.
1900 – 1911
Das Unternehmen expandiert stark, R. Reiss kauft zusätzlich Land, um Fabrikanbauten zu errichten. Die Produktpalette wird erheblich ausgeweitet und verstärkt exportiert. Für die Belegschaft lässt er sieben Mitarbeiterhäuser in der Reiss Straße errichten.
1905
R. Reiss ist Vertreter der Stadtverordnetenversammlung und Kreisverordneter von Liebenwerda
1906
Zusammen mit seinem Sohn Paul werden die Herren Fabrikbesitzer durch den rumänischen König zu Hoflieferanten ernannt.
1910
Verleihung der größeren silbernen Staatsmedaille „Für Verdienste um die Gewerbe“.
1911
Reiss erkrankt an Lungenentzündung und stirbt im Verlauf der Krankheit. Am 15. November folgt ein langer Zug von Trauernden seinem Sarg. Hunderte Liebenwerdaer und zahlreiche Geschäftspartner erwiesen dem Pionierunternehmer und Wohltäter der Stadt die letzte Ehre.